Den Haag 1923 - Juristen der wichtigsten Nationen sitzen zusammen und verabschieden die "Spielregeln fuer den Krieg", in denen es unter anderem heisst, dass keine zivile Ziele bombardiert werden duerfen. Eine Vereinbarung, an die sich bekanntlich spaeter niemand gehalten hat. Allein in Tokyo sterben 100.000 Zivilisten in nur einer Nacht bei einer Flaechenbombadierung der Amerikaner ebenso wie in Deutschland in vielen Grosstaedten am Ende des zweiten Weltkrieges.
Yokohama, 8. Maerz 1948 - Lt. General Okada, ein Offizier der japanischen kaiserlichen Armee sitzt auf der Anklagebank des amerikanischen Militaertribunals und wird angeklagt, 38 amerikanische Piloten fuer die Bombardierung von Zivilisten ohne eine formelle Verhandlung exekutiert haben zu lassen. "Ashita e no yuigon", sinngemaess "ein Vermaechtnis fuer die Zukunft" heisst der Film, der die Geschichte dieses Offiziers erzaehlt, der schliesslich zum Tode durch den Strang verurteilt wird. Ein interessanter Film nach einer wahren Begebenheit, der von seinem Thema auch heute noch nichts an Brisanz verloren hat. "Wer hat das Recht ueber wen zu richten ?" lautet die die immer noch aktuelle Frage. Offenbar immer die Sieger oder wie derzeit die immer noch staerkste Weltmacht ueber den Rest der Welt.
Tokyo, Mai 2007 - fast 60 Jahre nach Beginn des Prozesses bekomme ich einen Anruf von meiner Agentur. Ein Darsteller fuer eine Rolle in einem neuen japanischen Film wird gesucht, erfahre ich, und werde wenig spaeter tatsaechlich fuer ein Casting ausgewaehlt. Worum es in dem Film geht und wen ich nun eigentlich darstellen soll ... das erfahre ich leider nicht. Ich mache mich aber trotzdem auf in die legenderen Toho-Studios, dem Hollywood Japans ... einfach neugierig, was mich dort erwartet.
Der japanische Assistent des Regiseurs erklaert uns bei Ankunft etwas ueber den Film ... auf Englisch oder zumindest hoert es sich so an, denn weder ich noch die beiden anderen Kandidaten ( beides englische Muttersprachler ) verstehen, was der gute Mann uns mitteilen moechte. Verzweifelt versuche ich zweimal zu fragen, WEN wir denn nun darstellen sollen - eine fuer ein Casting nicht ganz unwichtige Information, aber es ist zwecklos. Einer der anderen raet, wir sollen wohl eine Art Gefaengniswaerter darstellen, was aber, wie sich spaeter rausstellen sollte, ziemlich daneben lag. Der Assistent drueckt jedem von uns ein Blatt Papier in die Hand, stecke es aber einfach nur weg, weil ich keine Zeit habe es zu ueberfliegen und schon geht die Tuer auf. Der Regiseur hoechstpersoenlich erwartet uns und ich bin ausgerechnet auch noch als erster drann.
Ich soll vorlesen, was auf dem Blatt steht, welches man mir vorher in die Hand gedrueckt hat. Der Text ist in ( ziemlich wirrem ) Englisch und ich erinnere mich ploetzlich daran, dass ich eigentlich seit meiner Schulzeit, die ja nun auch schon fast 25 Jahre zurueckliegt, keinen englischen Text mehr vorlesen musste. Es klappt einigermassen aber sonderlich zufrieden sieht der Regiseur nicht aus. Immer wieder schiesst mir der Gefaengniswaerter durch den Kopf und ich versuche krampfhaft zu ueberlegen, was der Text wohl damit zu tun haben koennte. Beim dritten Kandidaten daemmert es mir dann so langsam ... kein Gefaengniswaerter und erst heute weiss ich, dass wir fuer eine der Hauptrollen vorgesprochen und das Todesurteil fuer den Hauptdarsteller, Lt. General Okada in der finalen Szene des Filmes vorgelesen haben. Ausgewaehlt wurde ( verstaendlicherweise ) keiner von uns und die Rolle wurde schliesslich mit einem Profi aus den Staaten besetzt. Ich war zunaechst ein wenig entaeuscht und veraergert, dass man uns nicht vorher gesagt hat, wen wir darstellen sollen ( sonst haette man den Text sicher ganz anders vorgelesen ) ... aber ... heute bin ich eigentlich nicht mehr aergerlich ... aber dazu spaeter.
Ein paar Tage spaeter - meine Agentur ruft mich erneut an und bietet mir eine Statistenrolle in dem Film an. Ich freue mich und denke, dass es einfach geil ist, mit der Schauspielerlegende Makoto Fujita als Okada die Schlussszene zu drehen und wenn ich eben einfach nur als MP im Gerichtssaal herumstehen muss.
Und ... es war wirklich ein einmaliges Erlebnis !!! Ganz grosses Kino ... die Kulissen, die Technik, die vielen Leute, die wie Zahnraeder eines grossen Uhrwerkes zusammenarbeiten, Kameraleute, Assistenten, Visagisten, Techniker, Schauspieler und ueber allem der Regiseur, der mit der Gelassenheit eines Moenches das ganze "Orchester" dirigiert. Es muss alles bis ins kleinste Detail durchdacht sein, aufeinander abgestimmt und "choreographiert" werden. Selbst meine Uniform als unbedeutender Nebendarsteller ist bis auf den letzten Knopf absolut original nachempfunden und hat bestimmt 10 mal mehr gekostet als meine bescheidene Gage von weniger als 100 Euro fuer den Drehtag. Es ist der letze und wir drehen die Schlussszene, in welcher der Hauptdarsteller zum Tode verurteilt wird. Geschaetzte 50 Leute im Gerichtssaal und es scheint mir schier unmoeglich, das alles zu koordinieren. Jeder muss irgendetwas anderes machen, von A nach B laufen oder irgendeine Bewegung machen ... alle aufeinander abgestimmt, keiner darf dem anderen in den Kamerawinkel laufen und es muss natuerlich aussehen. Keine Zeit zum ueben und jeder muss sich konzentrieren. Und ... es klappt. Kein Cut muss wiederholt werden und hinter verstehe ich auch die Worte eines der Hauptdarsteller, der zu mir in der Umkleide sagt: "You did a good job." Ich fuehlte mich erst ein wenig verarscht ( war ja schliesslich nur ein kleiner MP ) aber er schaute mich an und sagte: "There are no small roles, only small actors." Eigentlich war ich hinterher auch froh, dass ich nur einen kleinen MP mimen musste. Die Rolle, fuer die ich erst vorgesprochen hatte, war dann doch irgendwie einfach eine Nummer zu gross. Eine Stille in dem Studio, so dass man sogar das Klicken der Handschellen bis in den letzten Winkel des Fabrikhallengrossen Studios hoeren kann ... und dann schaut einen der Hauptdarsteller mit seinem alten "Indianergesicht" an ... ich haette definitiv keinen Ton rausgebracht und selbst der fuer die Verlesung des Urteils eingeflogene Profi-Schauspieler musste vor und nach der Szene ein paar mal schwer durch die Backen pusten.
Es war jedenfalls ein toller Tag und ein einmaliges Erlebnis, dabei gewesen zu sein ... wenn auch nur als "kleiner" MP ... in einem Film, den es sicher lohnt anzusehen, wenn er naechstes Fruehjahr in die Kinos kommt.
Eine Anekdote vielleicht noch zum Schluss. Als wir vor dem Shooting in den noch leeren Kulissen des Gerichtssaales als MPs eine kleine Einweisung in die Bewegungsmuster des amerikanischen Militaers der 40er erhalten ( ungefaehr in 30 Minuten das, wofuer man beim Bund Wochen Zeit hatte ), schaute uns ein als Offizier gekleideter Typ zu, der den Gerichtssaal putzte ( so richtig mit dem Staublappen ). Nachdem er ein wenig ueber unsere muehseligen Versuche gewitzelt hat, uns einigermassen im Einklang nach den Komandos zu bewegen, meinte einer der anderen MPs, ob er vielleicht der General der Putzkolone waere. "Im Moment ja, aber sonst macht er hier auch noch was anderes" kam als Antwort. Erst grad hab ich im Internet gelesen, wer der Mann war. Der Sohn von Steve McQueen, der die Rolle des Staatsanwaltes uebernommen hatte. Haette man eigentlich auch drauf kommen koennen, den er sieht seinem Vater in der Tat wie aus dem Gesicht geschnitten aus ;-)))
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