Sonntag, 19. August 2007

Warum es in Chiba im Sommer bei 40 Grad im Schatten schneit

Bring einen Anzug mit und sei morgen um 6.00 Uhr an einem Bahnhof in Tokyo. "Was steht denn an ?", hab ich den Manager gefragt. "Keine Ahnung, Du sollst einen Soldaten oder so spielen." Ein Soldat im Anzug ? Na, sei es drum, hab ich mir gedacht. Das Fernsehteam von Nihon TV stand mit ein paar Bussen bereit und hat mich und ein paar andere Schauspieler eingesackt. Fast 2 Stunden Fahrt, weit raus aus Tokyo in die angrenzende Provinz Chiba ... wow ... richtige Natur, hohe Berge ... wie im Dschungel ... eine willkommene Abwechslung zur Betonwueste der Grossstadt. Wir wussten immer noch nicht was abgeht, als sich der Bus mit Muehen die engen Pfade der Berge hochquaelt. War schon bruetend heiss am morgen, aber der Bus war natuerlich klimatisiert ... und ... wie bei den Bussen der Fernsehteams allgemein ueblich, mit von aussen abgedunkelten Scheiben ;-))) Endlich angekommen. Irgendwie erinnerte mich die Landschaft an die Winnetou-Filme, Waelder, Berge und ein See an einem alten Steinbruch ... aber den Schatz im Silbersee werden sie wohl nicht drehen. Wir warten. Es gibt Fruehstueck und der Regisseur steckt die Nase in den Bus. Er erklaert uns kurz, dass es eine Geschichte sein wird, die in einem Arbeitslager in Sibirien spielt ... und entschuldigt sich gleichzeitig dafuer, dass wir leider Wintermaentel anziehen muessen. Es war schon fast Mittag, als alles ausgeladen war ... die Kameras, das technische Equipment, die Kostueme ... und man hat etwas zusammengezimmert, was das Eingangstor zum Lager darstellen soll. Japanisches Augenmass, dachte ich mir ... da werden zumindest wir Gaijin uns wohl buecken muessen ;-))) Einen Jeep haben sie auch angekarrt, der kurz mit einem Soviet-Stern in ein russisches Militaerfahrzeug verwandelt wurde. Kostuemanprobe ... na, frieren brauchte man heute wohl nicht ... echte dicke Wintermaentel und draussen waren es inzwischen bestimmt fast 50 Grad in der Sonne. Wir sollten Stiefel anziehen ... die natuerlich wieder Mal nicht gepasst haben. Die Agenturen geben immer vorher die Masse durch ... und dann immer die selben zerquetschten Gesichter, weil uns die Zwergenstiefel natuerlich nicht passen ;-))) Ich frag den verzweifelten Assistenten, ob er etwas schwarzes Tape-Band dabei hat ... und bastel mir die Stiefel schliesslich selbst ... aus den schwarzen Anzugschuhen, die ich ja Gott sei Dank dabei hatte ( wozu ich allerdings den Anzug mitbringen sollte, hab ich bis zum Ende nicht begriffen ). Sah aber cool aus und es roch nach Action ... endlich mal was anderes, als einen Doktor oder Geschaeftsmann zu spielen. Hab auch gleich einen Kollegen gebeten, einen Schnappschuss mit meinem Handy zu machen ... die Qualitaet des Bildes hat mich dann aber doch veranlasst, mir hinterher endlich mal ein neues zuzulegen. Ist ja dann doch immer schade, weil normale Kameras am Set meistens verboten sind und man doch hin und wieder ein Erinnerungsphoto schiessen will.


So recht nach sibirischem Winter sah es am Drehort nun wirklich nicht aus aber man hatte Schneekanonen dabei ( produzieren Schneeflocken aus Seifenschaum ... leider ... nix mit Abkuehlung ), weisse Planen, auf denen man dann etwas Salz verteilt hat ... und der Rest passiert im Computer. Ist schon phaszinierend !!! Hier ein Photo, wie der Drehort wirklich aussah ...


... und dann achte man in dem folgendem Clip auf das Lagertor und den Hintergrund. So sah es dann im Fernsehen aus !!!



Viel schauspielerische Leistung wurde uns in diesen Szenen nun wirklich nicht abverlangt, aber immerhin hatte ich Glueck. Kaum zu erkennen, bin ich wenigstens im Bild ... mache das Lagertor auf, stehe hinter den schuftenden Gefangenen ... waehrend die anderen irgendwie umsonst geschwitzt haben, denn sie sind alle rausgeschnitten. Typisch fuer das, was ich bisher erlebt habe. Wird ein riesen Aufwand gemacht, zig Szenen gedreht ... und hinterher nur ein Bruchteil tatsaechlich verwendet. Einerseits aergerlich, weil man oft auch selbst gaenzlich dem Schnitt zum Opfer faellt ... aber andererseits hat man wenigstens Arbeit und wenn sie sich vorher besser ueberlegen wuerden, was sie wirklich drehen wollen, braeuchten sie dann nur einen Bruchteil der Leute, die sie bezahlen ... aber das ist eben Japan und einfach ueberall so.
Ein paar Stunden Pause, da sie auch ein paar Szenen nur mit den japanischen Darstellern drehen und dann geht es am Abend weiter ... zu einem entlegenen alten japanischen Haus in der Wildnis. Erfahren tut man nie etwas ... auch nicht der uns begleitende Manager der Agentur ( der auch als Uebersetzer vor Ort dienen soll aber, wenn es sich um einen Japaner handelt, zumeist wie an diesem Tag ueberhaupt kein Englisch kann und die Anweisungen des Regisseurs einfach nochmal auf Japanisch wiedergibt ... hahaha ... ). Die meisten Kollegen sind aber schon lange hier und koennen ganz gut Japanisch ... und auch Englisch, so dass man sich unteinander aushilft. Wie gesagt ... der Bus haelt und keiner weiss ob es eine Pinkelpause oder ein neuer Drehort ist ... Kostueme wieder anziehen, heisst es ... aber diesmal ohne Wintermantel, was keine wirklich frohe Botschaft ist, denn die Uniformen sind aus dicker Wolle und draussen sind es auch Nachts immer noch locker 30 Grad. Getraenke gibt es Gott sei Dank genug und ich weiss nicht mehr, wieviel Liter gruenen Tee ich in mich hineingekippt habe. Ein amerikanischer Kollege hat das Fernsehteam genoetigt, in der Pause mit ihm irgendwo hinzufahren um ihm eine kalte Cola zu besorgen ... aber das muss, denke ich, nicht sein. Alle schwitzen zusammen und kaltes Wasser und kalter gruener Tee tun es auch.
Japanische Sommernacht in der Wildnis ... durchaus ein Erlebnis. Es ist stockfinstere Nacht und eine Geraeuschkulisse wie im Urwald. Das Scheinwerferlicht zieht auch einiges interessantes Getier an ... riesige Hirschhornkaefer krabbeln umher und Insekten, die ich nie zuvor im Leben gesehen habe. Als ich da so in meiner Uniform gesessen und auf die naechste Szene gewartet habe, dachte ich mir, dass es wohl so oder so aehnlich im wirklichen Krieg auch gewesen sein muesste. Die Uniform klebt am Leib, der Schweiss steht in den Stiefeln und tropft von der Nase ... da kommt schon ein authentisches Feeling auf.
Und ich habe wieder Glueck. Wahrscheinlich entspreche ich in den Augen des japanischen Regisseurs am ehesten dem sovjetischen Soldaten und darf gemeinsam mit einem wirklich russischen Kollegen den Hauptdarsteller aus dem Bett holen und ihn seiner Familie entreissen. Coole Szene und wir hatten riesen Spass !!! Das "Leihbaby" allerdings weniger, das, wie in dem naechsten Clip zu sehen ist, ordentlich gebruellt hat.



Der japanische Hauptdarsteller war auch gut drauf und wir haben die ganze Zeit Witze gerissen, dass uns die Traenen in den Augen standen. Hat ordentlich gezappelt, als wir ihn in den Lkw hiefen wollten und ich meinte, ob er denn nicht nach Sibirien wollte ... da gaebe es zwar nur Kohlsuppe und kein Sushi aber es waere doch bedeutend kuehler als hier ... hahaha ...
Irgendwann faellt dann doch die letzte Klappe und ein Blick auf die Uhr verraet, dass wir alle nun doch geschlagene 20 Stunden unterwegs sind ... und am naechten Tag ( oder besser in wenigen Stunden ) soll es weiter gehen. Ich habe die Wahl zwischen Hotel und Bus plus Taxi zurueck nach Tokyo und entscheide mich fuer letzteres, weil ich keine Klamotten zum wechseln dabei habe. Die Zeit zu hause reicht allerdings nur fuer eine kurze Dusche und ann geht es wieder los. Den zweiten Drehtag im Militaerhospital haben sie hinterher allerdings komplett rausgeschnitten ... ich denke, weil sie die Sendezeit fuer einen anderen Beitrag ( ueber so ein japanisches Idol ... ein Schwachkopf, ich habe ihn mal getroffen ) brauchten, den sie kurzfristig eingeschoben haben. Dadurch ist die ganze Story allerdings ziemlich verstuemmelt worden. Eigentlich sollte es die Geschichte eines Japaners sein, der im zweiten Weltkrieg in Nordkorea zu Unrecht als Spion verhaftet und nach Sibirien verschleppt wurde. Er ueberlebt Jahrzehnte des Arbeitslager und heiratet schliesslich eine Russin. Am Ende der Soviet-Diktatur wird er dann begnadigt und darf zurueck nach Japan. Eine wahre Begebenheit aber der eigentliche Konflikt zwischen der russischen Frau, die ihn nach vielen Jahren der Ehe zu seiner immer noch lebenden japanischen Frau zurueckkehren laesst ( die tatsaechlich die ganze Zeit auf ihn gewartet hat ) und seiner Verzweiflung, wie er sich zwischen den beiden Frauen entscheiden soll, geht voellig unter. Schade, denn das war der eigentliche Kern der Geschichte.

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