Sonntag, 23. September 2007

Eine Radtour quer durch Tokyo

Das Fahrrad ist Tokyo neben der Bahn und dem Motorrad auf jeden Fall ein Verkehrsmittel erster Wahl und ich werde diesem Thema sicher noch mal einen eigenen Platz in diesem Blog einraeumen. Hier zunaechst daher nur ein paar kurze Bemerkungen zum Verstaendnis. Rad gefahren wird nach der japanischen Strassenverkehrsordnung auf der Strasse ( Radwege gibt es aus Platzmangel in Tokyo nicht ), was zumindest im Innenstadtbereich dem sicheren Freitod gleich kaeme und daher natuerlich auch keiner macht. Man faehrt also entlang von Hauptverkehrsstrassen auf dem Gehweg ( im Volksmund: Buergersteig ) und teilt sich diesen eben mit Heerscharen an Fussgaengern. Definitiv eine Herausforderung fuer beide Verkehrsarten und es erfordert schon eine gewisse Akrobatik und Eingewoehnung, sich dieser zu stellen.
Das Radel ist also eher ein lokales Fortbewegungsmittel, mit dem man Kurzstrecken im eigenen Stadtteil zuruecklegt und sich dann auch nicht unbedingt auf Hauptverkehrsstrassen bewegen muss. Gedanken ueber Radrouten und Wegweisung fuer Radfahrer hat sich hier jedenfalls noch kein Mensch gemacht aber ich dachte mir, ich versuche es mal ... Tokyo, oder zumindest den Innenstadtbereich einmal mit dem Rad zu durchqueren oder zu umrunden. Grobes Ziel war es, von Setagaya aus den Sumidagawa-Fluss am anderen Ende zu erreichen und wieder zurueck zu fahren. Schwaecheln gilt hier nicht, denn in Tokyo ist es nicht erlaubt, sein Fahrrad mit in die Bahn zu nehmen ... was aus Platzgruenden auch ziemlich unmoeglich waere ;-))) So habe ich es zu meinem eigenen Erstaunen tatsaechlich geschafft vom spaeten Vormittag bis zum fruehen Abend die auf der Karte eingezeichnete Strecke zurueck zu legen ... und das recht gemuetlich, weil man wie gesagt mit den Fussgaengern gemeinsam auf vielen Streckenabschnitten nur im Schneckentempo voran kommt.


Das sind dann schon so einige Kilometer, auch wenn es auf der Karte nicht so aussieht. Uebel ist vor allem, dass Tokyo keineswegs so flach ist, wie es von oben aussieht und wenn man sich nicht die Bloesse geben will, wie die aelteren Japaner hier mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor rumzufahren, dann empfiehlt sich fuer ein solches Unterfangen schon ein Mountain-Bike, auch wenn das auf den ersten Blick fuer eine Grossstadt albern klingt.

Zunaechst galt es vor allem erstmal eine echte Durststrecke zurueck zu legen. Fast eine Stunde braucht man von meinem Wohnort in Setagaya ( das an sich flaechenmaessig schon riesig ist und mehr Einwohner als Duesseldorf hat ) bis nach Shibuya, das hier dann schon auch auf der zentralen Tokyo-Karte zu sehen ist. Keine zeitraubenden Schleichwege durch das in der Edo-Zeit aus strategischen Gruenden voellig verwinkelt angelegte Setagaya, da ich ja noch was vor hatte. Also der kuerzeste Weg entlang der Route 246, schoen brav auf dem Gehweg gesaeumt vom laermenden, stinkenden Verkehr. Muss man sich normalerweise nicht antun, aber ich hatte an diesem Tag ja das Ziel, den Sumidagawa-Fluss zu erreichen und keine Ahnung, welche Entfernung das mit dem Rad bedeuten wuerde. Die Route 246 bleibt auch weiter mein Begleiter ... auf dem naechsten Kartenaussschnitt blau ( bis Shibuya ) und gruen ( bis Nagatacho ) ... aber es ist ab Shibuya abwechslungreicher.


Geschaeftshaeuser und Boutiquen saeumen die Hauptverkehrsschlagader und auf dem letzten Stueck sogar ein grosser Park, den man bedauerlicherweise nicht durchqueren kann, weil er sich im Privatbesitz des Kaisers befindet, wie mir einer der vielen Wachleute zu berichten wusste, die die Strecke neben vielen Ueberwachungskameras nervoes im Auge behalten.

Mittags erreiche ich dann Nagatacho, wo ein Bootshaus an einem kleinen Kanal zur Rast einlaedt.


Irgendwie war ich zu faul, meine Kamera mit mir rumzuschleppen ( Radfahren durch halb Tokyo bei 33 Grad im Schatten ist ja nun auch ohne Gepaeck schon Herausforderung genug ), daher alle Bilder leider nur in nicht so perfekter Qualitaet mit dem Handy gemacht.
Kurz was getrunken, wollte ich dann aber auch schon weiter, denn erst der Sumidagawa-Fluss war als Ort angepeilt, meinen bis dahin doch schon etwas hungrigen Magen zu fuellen.
Der naechste Teil der Strecke war dann schoen. Entlang des unteren Teils des riesigen kaiserlichen Gartens, in dem sich der Palast befindet, der aber weder von aussen zu sehen noch von innen zu besichtigen ist.


Aber man kann den aeusseren Graben entlang fahren und zumindest ein paar Gebauede an der Aussenmauer sehen.


Schliesslich biege ich ab, um mich durch das Bueroviertel Nihonbashi bis zum Fluss durchzukaempfen.


In Nihonbashi wohnt keiner ... es gibt nur gigantische Buerogebaeude ...


... und ich falle auf jeden Fall auf ... als einziger Mensch, der keinen Anzug oder eine Krawatte traegt ;-)))


Fuehle mich in meiner kurzen Tarnhose und dem Tanktop auf meinem Mountain-Bike ziemlich deplaziert und trete in die Pedalen um das letzte Stueck bis zum Fluss zurueckzulegen.


Und da ist er ploetzlich ... der Sumidagawa, der sich riesig breit vom Meer bis in die Berge zieht.


Auf dem Stadtgebiet Tokyo zum groessten Teil halb Salzwasser, riecht er nach "Meer" und ich erreiche zum Erstaunen aller auf der anderen Seite Naokos Firma ... mit dem Fahrrad ;-))) Ein staerkendes Mittagessen und ein erschreckender Blick auf die Karte ... puuuuuh ... ich muss ja auch wieder zurueck !!! Also los ... aber nicht wieder den selben Weg zurueck. Ich will noch ein wenig am Fluss langfahren und so fahre ich weiter nach Norden, wo der Kandagawa in den Sumidagawa muendet.


Dort finde ich dann auch wieder etwas, was man dann eigentlich nur mit dem Fahrrad entdecken kann ... ein uraltes Restaurant in den Fluss gebaut, dass ein witzigen Kontrast zu all den modernen Gebaeuden drum herum bildet.


Und ... kaum zu glauben, nach wenigen Minuten erreiche ich das Elektronik-Mekka "Akihabara". Allerdings sind die Beine an dem Tag schon etwas schwer, das Viertel nach neuen Video-Spielen und anderen Schaetzen zu durchkaemmen ... aber na gut ... einen kleinen Probezock des neuen Wii-Spiels "Sangoku Mussou Katana" hab ich mir gegoent ;-)))


Hat mich aber jetzt nicht wirklich ueberzeugt ... also weiter zum naechsten Etappenziel ... dem "Kanal-Cafe".


Am linken Ende der gruenen Routenlinie liegt es und ich goenne mir den dort immerhin 3 Euro teuren Orangensaft.


Ein erneuter Blick auf die Karte ... scheisse, ich hab schwer getroedelt ... und es ist doch noch ein ganzes Stueck, bis ich zu hause meinen Hintern von dem Sattel erholen kann. Gut 2 Stunden werden noch vor mir liegen und ich beisse die Zaehne zusammen.


Immerhin kenne ich den letzten Teil der Strecke weitgehend und spare mir die Hauptstrassen. Ueber Harajuku und den Yoyogi-Park geht es auf ganz netten Wegen zurueck ... aber so langsam fange ich dann schon an, jeden Huegel mit einem Fluch zu belegen und freue mich, das Radel dann doch irgendwann wieder in den Staender zurueckstellen zu duerfen.

Fazit: Fuer den untrainierten Radler ( der ich nun mal bin ) schon ne echte Tour ... aber man kann es recht gemuetlich schaffen ... Tokyo mit dem Radel ... wobei ich die Sehenswuerdigkeiten auf dem Weg natuerlich kannte. Haette ich sie mir alle anschauen muessen, waere ich wohl nicht so schnell wieder zu hause gewesen. Aber es geht ... und gut schlafen konnte ich an dem Tag allemal ;-)))

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hi Berndt
wieviele Kilometer waren das denn insgesamt?
Lg
Gaby